Verkehrsregeln für Einsatzfahrzeuge in Deutschland und Österreich
sh | stvo.de – 30.09.2019
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Martinshorn einschalten und Gas geben – ohne Rücksicht auf rote Ampeln oder andere Verkehrsteilnehmer. Ist das bei Einsatzfahrzeugen so erlaubt? Und: Dürfen Polizeifahrzeuge eigentlich falsch parken und ist es Rettungswägen gestattet eine Straße stundenlang zu blockieren? Dieser Beitrag klärt über die Verkehrsregeln für Einsatzfahrzeuge in Deutschland und Österreich auf.
Sonderrechte für Einsatzfahrzeuge in Deutschland
Ob Bundeswehr, Polizei, Feuerwehr oder der Katastrophenschutz: Wenn hoheitliche Aufgaben dringend zu erledigen sind, werden die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung außer Kraft gesetzt – wenn die blaue Leuchte und/oder das Martinshorn im Einsatz sind. Handelt es sich beim Einsatzfahrzeug um einen Rettungswagen, dürfen auch dann die Vorschriften im Straßenverkehr gebrochen werden, wenn medizinische Versorgung höchst eilig erforderlich ist. Abgesehen von den genannten Einsatzfahrzeugen dürfen bestimmte Straßenbaufahrzeuge, wie zum Beispiel die der Müllabfuhr oder der Telekommunikationsunternehmen, spezielle Sonderrechte in Sachen Halten und Parken ausnutzen.
In jedem Fall gilt, dass Sonderrechte den anderen Verkehrsteilnehmern angezeigt werden müssen. Das geschieht beispielsweise durch ein Blinklicht oder das Martinshorn. Anderen Verkehrsteilnehmern muss die Dringlichkeit vor Augen geführt werden, die den Vorrang im Straßenverkehr vor anderen Straßenverkehrsteilnehmern zwingend erforderlich macht. Einsatzfahrzeuge haben die Pflicht, die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht zu gefährden. Die Aktivitäten müssen verhältnismäßig sicher sein. Der Begriff „verhältnismäßig“ zeigt an, dass die Sonderrechte nur dann beansprucht werden dürfen, wenn sie den Verhältnissen entsprechend sicher sind. Typisch Deutschland: Es gibt viele Ausnahmen und zahlreiche differierende Rechtsauffassungen dazu. Ein Beispiel soll zeigen, was mit Verhältnismäßigkeit gemeint ist.
- Ein Straßenfahrzeug reinigt in einer Stadt den Kanal und steht dazu mitten auf einer Kreuzung. Die anderen Verkehrsteilnehmer können die Situation überblicken und entsprechend vorsichtig fahren. Würde das Straßenfahrzeug die Aktivität auf der Beschleunigungsspur einer Stadtautobahn ausüben, wäre die Gefahr für die anderen Verkehrsteilnehmer zu groß. Die gelbe Warnlampe allein reicht nicht aus, es wären weitere Maßnahmen zu ergreifen.
So regelt Österreich Sonderrechte für Einsatzfahrzeuge
In Österreich sind die Regelungen etwas konkreter. Die Straßenverkehrsordnung und das Kraftfahrgesetz definieren Einsatzfahrzeuge anhand des verwendeten Blaulichts und/oder des akustischen Signals. Ein Einsatzfahrzeug wird rein rechtlich betrachtet nur dann als solches mit Sonderrechten betrachtet, wenn die Warnlampe und/oder das akustische Signal im Einsatz sind. Dabei schreibt Paragraf 26 Abs. 1 der österreichischen Straßenverkehrsordnung vor, dass optische und akustische Signale nur in Betrieb genommen werden dürfen, wenn Gefahr im Verzug ist. Gefahr ist in Verzug, wenn das Einsatzfahrzeug sich beispielsweise auf direktem Weg zum Einsatzort befindet. Damit es schneller durch den Straßenverkehr kommt, schaltet es die Signallampe an, was andere Verkehrsteilnehmer auf die Situation aufmerksam macht. Sie machen Platz und lassen den Einsatzwagen hindurch – so die Theorie. Die Straßenverkehrsordnung legt fest, welche Sonderrechte Einsatzfahrzeuge haben:
- Verkehrsverbote oder Verkehrsbeschränkungen gelten für Einsatzfahrzeuge nicht. Allerdings dürfen weder Menschen noch Sachen Schaden nehmen. Grundsätzlich haben Einsatzfahrzeuge immer Vorrang vor allen anderen Verkehrsteilnehmern.
- Fährt ein Einsatzfahrzeug auf eine Ampel zu, darf es auch bei Rot durchfahren. Es ist aber verpflichtet vorher anzuhalten und zu prüfen, dass weder Menschen noch Sachen zu Schaden kommen können. Wird der Verkehr auf einer Kreuzung nicht durch eine Ampel, sondern durch einen Verkehrspolizisten geregelt, ist dieser verpflichtet das Einsatzfahrzeug vorrangig durchzulassen.
- Sonderregelung Einbahnstraße: Auch Einsatzfahrzeuge müssen in die richtige Richtung in eine Einbahnstraße einfahren. Nur wenn der Einsatzort nicht schnell genug über den regulären Verkehrsweg erreichbar ist oder wenn sowieso anderslautende Ausnahmeregelung in der Einbahnstraße für andere Kfz oder Fuhrwerke bestehen, darf auch das Einsatzfahrzeug gegen die übliche Fahrtrichtung in die Einbahnstraße einbiegen.
- Wenn mehrere Einsatzfahrzeuge zusammentreffen ist eine ganz bestimmte Reihenfolge einzuhalten. Zuerst kommen Rettungsfahrzeuge, danach Feuerwehrfahrzeuge, dann Sicherheitsdienstfahrzeuge dann erst die anderen Einsatzfahrzeuge. Oft bietet sich den Einsatzkräften vor Ort eine unübersichtliche Situation. Verfügen sie über ein mobiles Einsatzmanagement-System, wie beispielsweise EMEREC im Bereich der Feuerwehren, erleichtert es den am Einsatz beteiligten Personen, die Abläufe effizienter zu strukturieren.
Gelbes Blinklicht heißt: Achtung, aufgepasst! Bildquelle: © santagig/stock.adobe.com
Verhaltensregeln für Verkehrsteilnehmer bei gelben Warnlampen
Ein gelbes Blinklicht signalisiert in Deutschland zum Beispiel einen Gefahrgutstransport, wird aber auch in vielen anderen Situationen eingesetzt. Grundsätzlich ist es eine Warnung vor einer Gefahr im Straßenverkehr. Die Warnlampe kann an einem Schwertransporter installiert oder an einem Müllwagen zu finden sein. Auch Abschleppdienste verfügen über gelbe Warnlampen. In Österreich und auch in Deutschland bedeutet also ein gelb blinkendes Licht im Straßenverkehr die Warnung vor einer ungewöhnlichen Verkehrssituation, in die ein besonders breites oder langes, langsames oder stehendes Fahrzeug mit Sonderaufgaben involviert ist. Verkehrsteilnehmer müssen deshalb aufmerksam fahren, um in der Verkehrssituation richtig und sicher zu reagieren.
Blaulicht im Straßenverkehr: Bedeutung und Konsequenzen für andere Verkehrsteilnehmer
Blaulicht ist in Deutschland allein für Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste und sonstigen Einsatzkräften (zum Beispiel Technisches Hilfswerk) vorgesehen. Gleiches gilt für den Einsatz eines Martinhorns.
In Österreich werden Fahrzeuge mit blauem Licht und/oder blauen Scheinwerfern ausgestattet, die zu diesen Institutionen gehören:
- Öffentlicher Sicherheitsdienst die Polizei, Gendarmerie, Asfinag-Mautaufsicht
- Militär
- Zoll
- Finanzbehörde
- Feuerwehr
- Rettungsdienste
- Fahrzeuge von Behörden/Organisation mit Sicherheitsfunktionen, zum Beispiel Entstörungsfahrzeuge der BOS-Netze
- Ausnahmsweise Sondertransporte mit Genehmigung zur Transportabsicherung
Weitere Ausnahmegenehmigungen erteilen die Behörden für öffentliche Hilfsdienste, Ärzte in Bereitschaft, medizinische Bereitschaftsdienste, freie Hebammen, Tierärzte und andere Hilfsdienste, die bei Verkehrsunfällen aktiv werden. Die Genehmigungen werden nur auf Antrag gewährt.
Verhaltensregeln bei Blaulicht
Kommt Blaulicht zum Einsatz, bedeutet das für Verkehrsteilnehmer in Deutschland und Österreich, dass sie unbedingt ausweichen und Platz machen müssen. Diese Vorgabe gilt nicht nur, wenn das Martinshorn erklingt, sondern bereits dann, wenn Blaulicht eingesetzt wird. Beim Ausweichen und Platz machen muss immer auf Sicherheit geachtet werden. Das bedeutet, nicht abrupt abzubremsen, die direkte Umgebung im Auge zu behalten und so schnell wie möglich die Spur freizumachen. Falls dazu ein Spurwechsel erforderlich ist, ist immer der Blinker zu setzen. Auf Autobahnen ist der Pannenstreifen freizuhalten und eine Rettungsgasse zu bilden.
Blaulicht ist höchste Alarmstufe, deshalb wird Missbrauch schwer geahndet. Ein willkürlicher Einsatz ist strafbar.